Verhütungsmethoden

Verhütungsmethoden für Spermienproduzierende

Thermische Methoden

Sanfte/milde Hodenerwärmung – “slow contraception”

Anwendungsdauer: 15 Stunden täglich.
Wirksamkeit: Tritt nach 3 Monaten ein.
Unfruchtbarkeitseffekt regelmäßig per 
Spermiogramm zu überprüfen. (Vor der
Anwendung, nach 12 und 15 Wochen, dann
im ersten Jahr alle drei Monate).
Pearl-Index vergleichbar mit 
"der Pille" (für die Frau).
Reversibilität: Die Methode ist reversibel.
Kosten: Ring/Slips in Selbstanfertigung 5-40€,
Ring/Slips im Erwerb 35-90€. Spermiogramm ab 
26€ bei Urolog*innen, mit Erfahrung und 
entsprechenem Material auch selbst durchführbar.

Bei der sanften (thermischen) Hodenerwärmung (auch milde Hodenerwärmung genannt) handelt es sich um eine nicht-hormonelle und rückgängig machbare (reversible) Verhütungsmethode für alle mit Hoden.

slip contraceptif
slip contraceptif/Toulouser Eierheber, hergestellt vom Kollektiv Thomas Bouloù, etwa 2019

Dabei werden die Hoden für eine Dauer von 13-15 Stunden täglich um etwa 1-2°C über ihrer eigentlichen Temperatur erwärmt. In früheren Versuchen wurden dazu speziell isolierte oder erwärmbare Unterhosen genutzt. In der Fortentwicklung dieser Methode machten sich französische Männer*gruppen den körpereigenen Leistenkanal zu nutze. Die Hoden werden mit Unterstützung der Hilfsmittel Verhütungsslip beziehungsweise Verhütungsunterhose (“slip contraceptif” oder auch “Toulouser Eierheber” genannt) oder Silikonring (oder ähnlicher Behelfsmittel) in den Leistenkanal geschoben und darin für die entsprechende Zeit darin gehalten. Dieser Zustand bedeutet einen zeitweiligen künstlich herbeigeführten Hodenhochstand (artifizieller Kryptorchismus).

Der Vorgang der Spermienzellenreifung (Spermatogenese) wird dadurch gehemmt und es entstehen fortan keine weiteren (bzw deutlich reduziert) vollständig ausgereiften Spermien. Nach etwa drei Monaten ist ein Zustand der Oligozoospermie (weniger als 15 Mio Spermien/ml) oder auch der Azoospermie (Abwesenheit von Spermienzellen) erreicht. Die verbliebenen Spermienzellen sind in ihrer Beschaffenheit und Beweglichkeit sowie ihrer ohnehin zu geringen Anzahl nicht mehr in der Lage eine Schwangerschaft hervorzurufen. Durch die regelmäßige Analyse des Ejakulats (Spermiogramm) kann eine verlässliches Aussage über die (Un)Fruchbarkeit der anwendenen Person getroffen werden.

Verhütungsring aus Silikon
Verhütungsring aus Silikon, Eigenherstellung 2021. Foto: Deutsches Hygiene-Museum Dresden

Die Methode wurde in den 60er Jahren unter Leitung des US-Arztes J. Rock erprobt und unter der Mitwirkung von Männer*gruppen im Frankreich der 80er Jahre sowie des Andrologen R. Mieusset bis heute weiterentwickelt und medizinisch begleitet.

Weiterführende wissenschaftliche Literatur dazu findet ihr hier.

Falls ihr euch ein genauers Bild davon machen wollt, wie diese Methode in ihrer Anwendung genau aussieht – die Leute vom Toulouser Kollektiv Garcon haben eine grafische Darstellung sowie explizite Videos der Anwendung der sanften thermischen Hodenerwärmung auf ihrer Website.

 

Hodenbaden

Zur Geschichte des Hodenbadens liegen Berichte vor, die bis in die Antike zurück reichen. Als Wissenschaftlerin der Moderne erforschte die Schweizer Ärztin Martha Vögeli die Methode in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts und führte erfolgreiche Versuche damit durch.

Hinreichend dokumentiert und mit vielen Tipps und Anleitungen sowie einer lesenswerten Gesellschaftskritik versehen gilt das Hodenbaden der Zürcher Hodenbadergruppe. Ihr Zine findet ihr hier zum nachlesen.

In ihrer Anwendung des Hodenbadens nahmen sie für eine Dauer von drei Wochen täglich ein 45 Minuten langes Hodenbad bei 45° Celsius. Hierfür nutzen sie Stühle mit integriertem Wasserbad, welches sie per Tauchsieder erhitzten und mittels Thermometer die Temperatur bestimmten. Anders als bei der Hodenerwärmung wird beim Hodenbaden nicht die Entstehung und Reifung der Spermienzellen gehemmt, sondern die bereits ausgebildeten

(und noch auszubildenden) Spermien handlungsunfähig gemacht. Hierbei wird sich zu Nutze gemacht, dass Protein – woraus die Spermienzellen hauptsächlich bestehen – bei einer solch hohen Temperatur denaturiert. Die zu diesem Zeitpunkt im Hoden/Nebenhoden befindlichen Spermien werden dadurch in ihrer Form und Bewegungsfähigkeit eingeschränkt bzw. unfähig gemacht. Die Zürcher Hodenbader bestimmten sowohl ihre erlangte Unfruchtbarkeit als auch die wieder einsetzende Fruchtbarkeitsschwelle (gemessen an Spermien pro Milliliter Ejakulat) per selbst durchgeführtem Spermiogramm. Die Unfrachtbarkeitsphase hielt dabei jeweils mehrer Wochen an.

Anwendungsdauer: 3 Wochen täglich für jeweils 45 Minuten Badedauer (etwa 90 Minuten mit Vor- und Nachbereitung), danach mehrwöchige Pause

Wirksamkeit: Tritt nach 3 Wochen Hodenbaden ein. Hält mehrere Wochen an. Sowohl die Unfruchtbarkeit als auch die wieder einsetzende Fruchtbarkeit müssen regelmäßig per Spermiogramm ermittelt werden. Wird dies festgestellt, ist eine profunde Aussage über (Un)Fruchtbarkeit gegeben, was

Reversibilität: Die Methode ist, soweit erforscht, reversibel.

Kosten: Anschaffungskosten für Tauchsieder, Thermometer. Spermiogramm ab 26€ bei Urolog*innen , mit Erfahrung und entsprechenem Material auch selbst durchführbar.

Wärmeklammer

Ein selbsternannter Verhütungsreformator aus dem Rheinischen entwickelte in den vergangenen Jahren die sogenannte Wärmeklammer. Wir halten einige der Ansichten und Positionen des Wärmeklammererfinders für problematisch. Auch sind seine Anwendungsempfehlungen eher pauschal kalkuliert und zu wenig erprobt. Trotzdem weist die Methode eine Ähnlichkeit zum Hodenbaden auf und könnte eine Erleichterung der umfangreichen Anwendungsumstände des Badens bedeuten.

Entgegen der Aussage des Reformators setzt die Methode am Hoden des Mannes an. Dabei werden die bereits ausgebildeten Spermienzellen innerhalb der Nebenhoden (die sich innerhalb des Skrotums und am Hoden anliegend befinden) über das Behelfsmittel Wärmeklammer erhitzt. Die Wärmeklammer ist eine batteriebetriebene Erhitzungsklammer mit Plastikummantelung und wird um den oberen Teil des Hodensacks (Skrotum) geklammert. Die Hoden sollen dadurch näher an den Körper beziehungsweise hin zur wärmeinduzierenden Klammer gerückt werden. Dadurch, dass die Nebenhoden sich im hinteren Bereich an den Hoden anliegend befinden, sollen sie durch die “Zerrung” der Klammer hin zum Körper nun möglichst nahe an der Wäremquelle Klammer anliegen.

Wir gehen davon aus, dass die Methode der Wärmeklammer ähnlich wie das Hodenbaden angewendet werden muss und ebenfalls regelmäßiger Spermiogramme zur Überprüfung bedarf. Die Angaben des Erfinders sind mit großer Vorsicht zu genießen. Insgesamt bedarf die Wärmeklammer und ihre Anwendung einer tiefergehenden Erforschung. Der Verhütungsreformator verkauft das Behelfsmittel für einen unverhätlnismäßig hohen Preis von mehreren hundert Euro. Eine Reformation der Verantwortungsteilung für Verhütung wird so nicht statt finden. Wie beim Erfinder des Samenleiterventils kritisieren wir das Gewinnteresse und Anspruchshaltung an (geistigem) Eigentum, das enorm viele potentielle Anwender:innen von den Methoden ausschließt. Im Vereinigten Königreich (UK) ist der Zugang zu Verhütungsmethoden beispielsweise umsonst, was eine bis zu 20%-Verbreitung der Vasektomie unter den verhütenden Männern* begünstigt hat.

Mechanische- | Barrieremethoden

Vasektomie

Femininistische Forderung Vasektomie
Feministische Forderung an einer Leipziger Hauswand, 2021

Die Vasektomie ist ein in der Regel nicht umkehrbarer operativer Eingriff, bei dem die Samenleiter durchtrennt werden. Es gibt zwar unterschiedliche Methoden an diese ran zu kommen, bei allen gleich ist jedoch, dass zusätzliche 1-3 cm des Samenleiters entfernt werden und die Enden daraufhin umgeschlagen und vernäht un/oder verlötet werden, um ein Zusammenwachsen zu verhindern. Diese Verhütungsmethode ist sehr zuverlässig und durch ihre breite Anwendung und medizinische Anerkennung auch durch langjährige Studien begleitet. Die Vasektomie ist nur zu einem geringen Prozentsatz rückgängig zu machen. In der BRD (anders als im UK) müssen die Kosten privat getragen werden und liegen ca. zwischen 500-800€.

 

Samenleiterventil

Das Samenleiter Ventil wurde von einer Einzelperson aus Verwunderung darüber erfunden, wieso eine Vasektomie so final sein muss, wenn doch ein Ventil eingesetzt werden könnte. Die Entwicklung und Anwendung dieser Verhütungsmethode ist bisher von einer sehr kleinen Gruppe an Testpersonen durchgeführt worden und noch nicht medizinisch anerkannt. Dafür führen die Entwickler*innen verschiedenen Gründe an, die für uns von der fehlenden Verantwortungsübernahme für Verhütung von Cis-Männern zeugen. Uns ist nicht ersichtlich, ob die Entwickler*innen diese politische Dimension mit einbeziehen, oder ob sie sich der Vermarktung ihres Produktes verschrieben haben. Eine explizit profeministische Ebene ist uns bei dem Projekt nicht bekannt.

Kondom

Kondome gibt es in vielfältigen Farben und Größen. Leider noch nicht in allen Läden in der eigentlich notwendigen Vielfalt, aber mit etwas Einsatz bekommt jede*r schon das passende Kondom. Wichtig dabei: man sollte sich nicht einfach drauf verlassen, dass das Standardmaß (meist Größe 53) schon passt . Daher sollten Personen mit Penis einfach mal nachmessen, mit einem Maßband (zum Ermitteln deiner Kondomgröße legst Du ein Maßband um den erigierten Penis und misst den Umfang. Der Wert, den Du auf diesem Wege erhältst, lässt sich einer Kondomgrößen zuordnen) oder einem Kondometer (ein Pappstreifen, den man um den erigierten Penis legt und dann einer Markierung ablesen kann, welche Kondomgröße passen müsste). Ist einmal die richtige Größe ermittelt, kann man sich auf Shopping-Tour begeben, entweder Drogerien und Supermärkte abklappern oder per online-shopping.

Welche Kondomgrößen gibt es? Hier findest Du eine Auflistung der unterschiedlichen Kondomgrößen. Wenn Du Dir bei der Wahl der Größe unsicher bist, dann beachte: Ein Kondom sollte immer lieber etwas enger als zu locker sitzen.

•9,6 – 10,2 cm Umfang: Kondomgröße 47

•10,2 – 10,8 cm Umfang: Kondomgröße 49

10,8 – 11,4 cm Umfang: Kondomgröße 52

11,0 – 11,6 cm Umfang: Kondomgröße 53

11,4 – 12,0 cm Umfang: Kondomgröße 54

11,6 – 12,2 cm Umfang: Kondomgröße 55

11,8 – 12,4 cm Umfang: Kondomgröße 56

12,0 – 12,6 cm Umfang: Kondomgröße 57

•12,2 – 12,8 cm Umfang: Kondomgröße 58

•12,6 – 13,2 cm Umfang: Kondomgröße 60

•13,2 – 13,8 cm Umfang: Kondomgröße 64

•13,8 – 14,4 cm Umfang: Kondomgröße 69

Manche dieser Größen bekommst du wahrscheinlich online viel leichter als sie ewig im Laden zu suchen. (das ist fast wie Schuhe kaufen: die Auswahl ist ziemlich groß und natürlich sollte man die Kondome auch erstmal einfach Anprobieren, bevor man Sex damit hat – beim Masturbieren mit etwas Gleitgel oder Spucke lässt sich ganz gut feststellen, ob man die richtige Wahl getroffen hat und das Kondom gut sitzt. Und noch ein wichtiger Punkt: es gibt unterschiedliche Kondom-Materialien!! Die meisten Kondome sind aus Latex. Es gibt aber Personen, die gegen Latex allergisch sind. Daher macht es durchaus Sinn sich als Person mit Penis auch passende Kondome aus anderem Material zu besorgen, damit man im entsprechenden Fall auch Alternativen hat. Nur so ist ein wirklich verantwortlicher Umgang mit Kondomen als Verhütungsmittel möglich, sofern man nicht auf Sex verzichten mag, wenn die andere(n) Person(en) eine Latexallergie hat/haben.

Und ganz klar: Es ist die Verantwortung der Person mit Penis passende Kondome parat zu haben, wenn ihr Sex mit anderen Leuten haben wollt und nicht die der anderen Person(en)!

Vasal  Gel (RISUG-Verfahren)

Dieses Verfahren ist in der Parsemus Foundation in Entwicklung. Hierbei handelt es sich um ein Kunststoff-Gel, das mit einer Injektion in beide Samenleiter gespritzt wird, wodurch in der Folge die Spermien blockiert werden. Die volle Wirkung des Gels setzt einige Tage nach der Injektion ein. Danach kommt es zu einer komplett von funktionalen Spermienzellen freien Ejakulation. Nach der Behandlung soll eine langfristige Verhütung von mehreren Jahren gegeben sein, die genaue Dauer ist noch unklar, bewegt sich aber vermutlich zwischen fünf und zehn Jahren. Mit einer weiteren Injektion soll die Polymer-Verbindung wieder aufgelöst werden können. Als Lösungsmittel dafür wird Natriumhydrogencarbonat (Natron) genutzt.

Bislang wurde die Methode erfolgreich an Affen und Kaninchen getestet, wo die Wirkung nach einem Jahr noch anhielt. Nach einer Natron-Injektion war die Zeugungsfähigkeit wiederhergestellt. Bis auf leichte lokale Schwellungen durch die Injektion sind keine Nebenwirkungen bekannt. Hier sind aber noch Langzeitbeobachtungen sowie Tests an Menschen mit Spermien notwendig. Zudem schützt das Vasal Gel nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten.

An einer Methode zur Blockade des Samenleiters wurde bereits in den 90er Jahren in Indien von Sujoy K. Guha am Indian Institute of Technology Kharagpur geforscht. Das Verfahren wurde RISUG (Reversible inhibition of sperm under guidance) genannt und verengt den Samenleiter so, dass die Samenflüssigkeit zwar passieren kann, die Spermien aber mechanisch so beschädigt werden, dass eine Befruchtung nicht mehr möglich ist. Nach erfolgreichen Tests an über 200 Personen sollte die Methode 2002 zugelassen werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stoppte das Zulassungverfahren jedoch, da bei den Studien Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden. Als dann noch Sujoy K. Guha verstarb und Pharmaunternehmen kein Interesse an der Methode zeigten, wurde die weitere Entwicklung komplett gestoppt. 2015 wurde das Patent dann von der Parsemus Foundation gekauft und als Vasal Gel weiterentwickelt.

Anwendungsdauer: Kurzer Eingriff für die Injektion.

Wirksamkeit: Mechanische Blockierung des Samenleiters. Wirkung nach einigen Tagen, die mind. ein Jahr anhalten soll. Zur Prüfung sind zwei Spermiogramm einige Tage/Wochen nach dem Eingriff zu empfehlen.

Reversibilität: Soweit erforscht ja. Durch eine “Spülung” mit Natriumhydrogencarbonat lässt sich die Polymer-Blockade wieder auflösen.

Kosten: Durch den Eingriff entstehen offenbar “geringe” Kosten